Aktuelles |
LessMess
Sommerfest 11. Juli 2009 |
Fachartikel |
Das Messie-Syndrom und die Krankenkassen |
Interview |
mit Brigitte. Sie hat sich geoutet |
Pressespiegel |
Auf
der Suche nach Ordnung |
Buchbesprechung |
Das
Messie-Syndrom / 2. Kapitel
Hrsg: Alfred Pritz, Elisabeth Vykoukal, Katharina Reboly, Nassim
Agdari-Moghadam |
Rätsel |
Auflösung
/ Wer ist der Künstler? |
Liebe Messies und Nicht-Messies
Für das zweite Info 2009 braucht es viel Zeit zum Lesen –
deshalb ist das Vorwort etwas kürzer. Unsere freien Mitarbeiter
haben einen wissenswerten Fachartikel und eine Buchbesprechung verfasst,
die zum Lesen, Studieren und Diskutieren animieren. Das Interview
mit Brigitte zeigt Erfahrungen, die beim Outen eintreten können.
Bitte beachtet auch den Hinweis auf das Sommerfest!
LessMess |
Aktuelles
Der Vorstand
von LessMess organisiert ein zweites Sommerfest.
Das Motto lautet: „Messies begegnen sich, diskutieren, essen,
trinken, lachen und geniessen zusammen … und kriegen alles
unter einen Hut“.
Auch diesmal erwartet euch wieder ein Apéro, ein reichhaltiges
Sommerbuffet mit verschiedenen Grilladen und ein Dessertbuffet,
umrahmt vom A-Cappella-Chor Voicieme. Die Maturandin
Nina Zollinger stellt ihre Maturaarbeit und ihren Kurzfilm zum Thema Messie vor. Natürlich bleibt
noch genügend Gelegenheit und Zeit zum Plaudern und
Diskutieren mit neuen und alten Bekannten.
Die Kosten für Mitglieder beim Verband LessMess betragen Fr.
40.-, Kinder unter 16 Jahre bezahlen Fr. 20.- und Nichtmitglieder
Fr. 50.- (jeweils ohne Getränke).
Mehr Infos hier,
direkte Anmeldung da
Schriftliche Anmeldungen bis am 30. Juni 09 an: LessMess,
Mitteldorfstrasse 31, 8915 Hausen a.A.
Nach Anmeldeschluss wird ein Zuschlag von Fr. 10.- erhoben.
Der Vorstand freut sich, euch, Freunde und Bekannte im evangelischen
Kirchgemeindehaus Wallisellen am Samstag, 11. Juli 2009 ab 16.00
Uhr begrüssen zu können!
|
Fachartikel
: Das „Messie-Syndrom“ und die Logik der Krankenkassen.
Von Heinz Lippuner, lic.phil. Fachpsychologe für
Klinische Psychologie und Psychotherapie FSP
Journalisten/-innen fragen mich ebenso häufig wie Betroffene,
ob denn das Messie-Syndrom mit Psychotherapie behandelt werden könne.
Meine Antwort lautet immer: Psychotherapie behandelt Menschen und
nicht Syndrome oder Krankheiten. Das weist auf wichtige Grundsatzfragen
der Psychotherapie hin, stellt die Fragenden aber selten zufrieden
und dies zu Recht.
Sucht ein „Messie“ Hilfe bei einem Psychotherapeuten und
soll diese Therapie via Krankenkasse aus der Grundversorgung bezahlt
werden, muss der Therapeut nach 6 Sitzungen beim Vertrauensarzt der
Krankenkasse eine Meldung abgeben und eine Kostenübernahme für
die 10. bis zur 40. Stunde beantragen. In dieser Meldung, die auf
einem vorgegebenen Formular des BAG (Bundesamt für Gesundheit)
gemacht wird, gilt es, neben der Beschreibung der Beschwerden und
Symptome, sowie Ziel und Zweck der Behandlung unter Punkt 2.2. auszuführen,
welches die (Vorläufige) Diagnose(n) sei, und dies im ICD-10
Code (so präzise wie möglich, ICD-10=Internationale Klassifikation
der Krankheiten, 10. Revision). Hier verwende ich wie viele andere
mir bekannte Therapeuten abschwächende Formulierungen wie „Verdacht
auf...“, aber spätestens beim ausführlichen Bericht
und dem Gesuch um Verlängerung nach 40 Sitzungen wird eine Diagnose
mit Hand und Fuss verlangt.
Die Krankenkassen bezahlen die Behandlung von Beschwerden mit Krankheitswert,
sie bezahlen also (berechtigterweise) nur die Behandlung von Krankheiten
und das „Messie-Syndrom“ ist weder in dem erwähnten
Manual (ICD-10, herausgegeben von der Weltgesundheitsorganisation
WHO) enthalten noch im anderen wichtigen Klassifizierungssystem, dem
DSM-IV (herausgegeben von der American Psychiatric Association APA).
Ein Gesuch um Kostengutsprache mit der Diagnose „Messie-Syndrom“
hätte also keine Chance, gleich anderen „Modediagnosen“,
die es eben auch „nicht gibt“, etwa „Burnout“
oder „Mobbing“.
In der Logik der Krankenkassen, nach deren wissenschaftlich medizinischen
Kriterien, gibt es also keine eigenständige Krankheit „Messie-Syndrom“.
Ich bin überzeugt, dass dies auch so bleiben wird. Unter der
aktuellen Bezeichnung und mit den vorliegenden theoretischen Konzepten
(aus der Selbsthilfebewegung und aus der Feder einiger Forscher/-innen)
besteht keine Hoffnung, in die oben erwähnten Manuale aufgenommen
zu werden.
Im aktuellen Buch „Das Messie-Syndrom“ (Hrsg. von Pritz,
Vykoukal, Reboly, Agdari-Moghadam im Springer-Verlag/Wien 2009) schreibt
Arnd Barocka treffend: „Dabei stellt sicher die ausgesprochen
unpassende Bezeichnung „Messie“ ein Hindernis (...) dar.“
Die Bezeichnung erfasse weder die Tragik im Leben der Betroffenen
noch vermittle sie Einsicht in das Wesen der Phänomene. Er fordert
deshalb eine Umbenennung. „Da eine Störung mit Defiziten
in Organisation und Planung aller Lebensbereiche vorliegt, soll diese
Bezeichnung, nämlich 'Organisations-Defizit-Störung (ODS)'
für den deutschen Sprachraum an dieser Stelle ausdrücklich
vorgeschlagen werden“.
Nun kriegt aber der Schweizer „Messie“ von seiner Krankenkasse
auch keine Kostengutsprache, wenn er mit der Diagnose ODS gemeldet
wird. Die sehr engagierten Forschungen im Umfeld der „Sigmund
Freud Universität“ in Wien wie auch vergleichbare Ansätze
um die Forscherin Gisela Steins in Deutschland bringen uns wichtige
neue Erkenntnisse und sie werden es auch ermöglichen, bei Fachpersonen
aus dem psychosozialen und psychiatrischen Umfeld mehr Verständnis
und mehr Verstehen der „Messies“ zu erreichen, aber eine
eigenständige Diagnose bleibt in weiter Ferne.
Dem „Messie“ und seinem Therapeuten, seiner Therapeutin
bleibt heute nur die Möglichkeit, die Beschwerden, die Symptome
und typischen Funktionsweisen des Betroffenen als sekundäre Symptome,
als Folgeerscheinungen einer zugrunde liegenden anerkannten Krankheit
zu verstehen. Das „Messie-Syndrom“ maskiert in diesem
Verständnis eine andere Krankheit, es kommt, wie wohl die Mehrheit
der Betroffenen sagen würden, erschwerend hinzu.
Ein Überblick in bildlicher Darstellung soll uns in Erinnerung
rufen, mit welchen Phänomenen und Krankheiten das Messie-Sein
meist in Zusammenhang gebracht wird, um uns anschliessend zu fragen,
welches die wichtigsten anerkannten Diagnosen sein könnten, die
in den Meldungen an die Krankenkassen den Ansprüchen gerecht
werden.
(Quelle: E. Niedermann: Was ist ein Messie? 1.Studienarbeit
Hochschule für Angewandte Psychologie HAP, 2005)
JournalistInnen berichten mir immer wieder, bei ihren Recherchen
würden sie von psychiatrischen Institutionen meistens die Auskunft
erhalten, das „Messie-Syndrom“ gebe es nicht, es handle
sich um eine Depression. Auf Nachfragen kriege man oft noch ergänzt,
es handle sich um Symptome bei chronischen Depressionen. Nicht gerade
Präzisionsarbeit!
Das ICD-10 kennt unter dem Code F32 die depressive Episode, welche
zusätzlich als leicht, mittelgradig oder schwer bezeichnet
wird und - sicher hier wichtiger - unter dem Code F33 die
rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig leicht,
mittelgradig oder schwer. Rezidivierend meint, dass es sich nicht
um eine einmalige Episode handelt, sondern um ein phasisch wiederkehrendes
Leiden, in welchen Abständen auch immer.
Zum Kern des Depressiven gehört die Antriebsstörung („ich
kann nicht wollen“), sie erklärt dann etwa die Blockierungen,
die es dem „Messie“ unmöglich machen, die längst
geplanten Entsorgungsaktionen umzusetzen. Katharina Reboly schreibt
im oben erwähnten Buch „Das Messie-Syndrom“, es
gebe unter den Messies „die Wanderer und die Einsiedler“:
Die Wanderer haben viele soziale Kontakte und Interessen, ...“.
Sie ahnen es, einige „Messies“ sind offensichtlich nicht
gerade die typischen Depressiven. Es könnte sein, dass neben
den depressiven Episoden auch manische Episoden auftreten, das „Messie-Syndrom“
würde so möglicherweise eine bipolare affektive Störung
(F31 im ICD-10 Code) maskieren.
Die Schwierigkeiten der meisten Messies beginnen bekanntlich aber
nicht erst beim Entsorgen, sie beginnen beim Zusammentragen, nach
Hause bringen, beim Einsammeln, kurz, beim Horten. Zum Horten (englisch:
hoarding) liegen sehr viele Forschungsarbeiten v.a. aus den USA
vor. Wir sind hier auf dem Feld der Zwangserkrankungen (F42) oder im Bereich des Zwangsspektrums. Der zwanghaft hortende
Messie leidet also in dem Verständnis an einer Art Zwangserkrankung
(obsessive compulsive disorder), welche letztlich in einer Therapie
behandelt werden müsste. Die mir aus den Schilderungen vieler
Messies einfallenden Zwangsgedanken, Rituale und v.a. die oft schwersten
Kämpfe angesichts von Entscheidungen, machen die Zuordnung
der dahinter liegenden Krankheit als Zwangserkrankung sicher nachvollziehbar.
Als Mitarbeiter von escape, dem Zentrum für Verhaltenssucht,
kann ich sowohl Aspekte des Depressiven wie solche des Zwangs bei
fast allen mir bekannten Messies feststellen, ich muss sie aber
ergänzen um die typischen Symptome und Funktionsweisen von
Menschen, die an einer Verhaltenssucht leiden,
oft auch als stoffungebundene Süchte bezeichnet.
Escape (Zentrum für Verhaltenssucht 044/202 30 00) hat aufgrund
der langjährigen Erfahrungen, welche an der Offenen Tür
Zürich mit Onlinesucht, Glücksspielsucht, Kaufsucht und
Sammelsucht gemacht wurden, ein neues Fachkonzept erarbeitet, sich
aus der Offenen Tür herausgelöst und arbeitet jetzt mit
Messies auch mit dem Arbeitsmodell, dem „Messie-Syndrom“
liege eine Verhaltenssucht zugrunde. In der Logik der Diagnose-Manuale
bewegen wir uns dann im Bereich des Zwanges (F42) oder bzw. und
im Bereich der abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle
(F63).
Diverse andere Störungen/Erkrankungen, die „dahinter
stecken könnten“ müssen wir hier unbeachtet lassen,
präziseres Wissen über Messies wird uns vielleicht später
ganz andere Verbindungen nahe legen.
Und noch dies: Mit Nachdruck ist zu hoffen, dass es dem
Messie und seiner Therapeutin gelingt, sich in der gemeinsamen Arbeit
aus den Fesseln dieser Logik zu lösen und die ganz individuellen
Ängste, Verarbeitungen und lebensgeschichtlichen Bedeutungen
ins Zentrum zu stellen. Nur so kann Psychotherapie erfolgreich
sein. |
Interview
mit Brigitte |
LessMess |
Warum
hast du dich im Stern-TV als Messie geoutet? |
Brigitte |
Ich habe mich
schrittweise geoutet. Zuerst am 7. Geburtstagsfest für meine
Tochter Samantha. Der Grund dafür war Samanthas Spitalaufenthalt
mit anschliessender Operation. Während des Spitalaufenthalts
(bei dem ich Tag und Nacht bei meiner Tochter gewesen bin), bemerkte
ich, wie glücklich Samantha mit anderen Kindern spielte. Da kam
ich zur Überzeugung, dass ich dafür sorgen will, dass Samantha
mit ihren Freundinnen und Freunden zu Hause spielen kann. |
LessMess |
Wie waren die
Reaktionen auf dein Outing? |
Brigitte |
Mein Outing
löste unterschiedliche Reaktionen aus: Einige meiner Freunde/innen,
vor allem meine Freundin, wertete es sehr positiv, ein Teil meiner
Familie war entsetzt. Einige Bekannte zogen sich zurück, gingen
verloren. Dafür lernte ich im Laufe der Zeit andere Personen
kennen, teilweise durch das Internet. Die Gspänli von Samantha
kommen gerne spielen, sie beurteilen die überfüllte Wohnung
nicht, sondern geniessen einfach die gemeinsame Zeit.
Die Fernseh-Reportage „Stern-Reportage, Leben im Chaos! Messies“
wurde am 19.01.2009 auf VOX ausgestrahlt. Diese kam zustande, weil
mich eine Beauftragte von Imago-TV am 13.03.2008 über www.lessmess.ch
angefragt hat, ob ich für eine Reportage bereit wäre.
Da sich auch Samantha einverstanden erklärte, kam ein Filmteam
für zwei Tage im Mai 2008 und interviewte und filmte uns. |
LessMess |
Wie hast du dich
beim Filmen gefühlt? |
Brigitte |
Zuerst hatte
ich Lampenfieber und war sehr nervös. Die Reporterin konnte mir
aber die Nervosität nehmen und ich fühlte mich gut, fast
wie ein Filmstar. |
LessMess |
Würdest
du nochmals eine Reportage oder etwas Ähnliches machen? |
Brigitte |
Ja, ich habe
vor kurzem zugesagt, in die Sendung „Stern-TV“ mit Günther
Jauch zum Thema Messie zu gehen. Samantha und ich fliegen für
zwei Tage nach Köln. Die Sendung wird voraussichtlich am 19.08.09
ausgestrahlt. |
LessMess |
Welchen Grund
hattest du, dich zu outen? |
Brigitte |
Ich möchte
zeigen, dass man mit dieser Krankheit nicht alleine ist und dass es
nicht nur „zugemüllte Messies“ gibt. Vielleicht kann
ich anderen Messies auch helfen, sich zu öffnen. Ich habe viele
positive Reaktionen erhalten, auch später noch. Der wichtigste
Grund aber ist Samantha: ich möchte etwas ändern. |
LessMess |
Welche Risiken
bringt das Outen? |
Brigitte |
Einige Leute
können nicht verstehen, dass ein Messie so viel Mühe hat,
aufzuräumen und nicht zu sammeln. Sie lehnen Messies ab. In einer
Partnerschaft funktioniert das Zusammenleben nur mit sehr viel Liebe,
Vertrauen und Achtung. Vor allem gegenüber Frauen besteht die
feste Erwartung, dass der Haushalt von ihr ordentlich geführt
wird. |
LessMess |
Welche Empfehlung
bezüglich outen gibst du an andere Messies? |
Brigitte |
Man soll sich
privat oder öffentlich nur outen, wenn man 100 % sicher ist,
auch negative Reaktionen ertragen zu können. Mir fiel ein Stein
vom Herzen und ich habe das Outen nicht bereut. |
LessMess |
Was hast du konkret
im Haushalt geändert? |
Brigitte |
Auf meinen Briefkasten
habe ich einen Kleber gegen Reklame angebracht. Schon vorher habe
ich Papier, Karton, Metall und Alu, PET- und Glasflaschen regelmässig
entsorgt.
Nach der Fernsehsendung habe ich das Buffet aussortiert, den Putz-
und Reserveschrank, den Badezimmer- und den Küchenschrank ausgeräumt
und entrümpelt. Unterstützt werde ich 1x pro Woche/1 Std.
von der Hauspflege, weil ich auch verschiedene körperliche Probleme
habe.
Sachen wegzugeben war für mich sehr schwierig. Ich habe aber
erkannt, dass sie nur Ersatz für ein Manko sind, und deshalb
ist es mir einigermassen gelungen, mich von Dingen zu trennen. |
LessMess |
Vielen Dank für
das offene Interview! |
Brigitte |
Ich freue mich
auf neue Kontakte zu Messies und komme gerne ans Sommerfest! |
Brigittes
Tipp:
|
„Jedes
Ding‘ an seinen Ort, erspart viel‘ Müh‘ und
manch‘ bös‘ Wort!“
Gilt vor allem für Natel, Schlüssel, Brille |
Pressespiegel |
Auf
der Suche nach Ordnung
© ZEIT ONLINE 5.3.2009, Von Lars Klaaßen (Text) und Christian
Muhrbeck (Fotos)
Es ist eine
der verständnisvollsten Betrachtungen über Messies, die
ich in den letzten Wochen gelesen habe - und dies von der prominenten
Quelle "Die Zeit"! ...und dies ausgerechnet jetzt, wo
unser Info bereits dermassen überbordet, dass hier eine vollständige
Wiedergabe ausgeschlossen ist (der Artikel erstreckt sich über
mehrere Seiten, mit illustrativen Bildern). Trotzdem: wer nach einer
Verschnaufpause neue Kraft hat nehme sich unbedingt die Zeit und
folge dem link!
Dennoch
erwähne ich hier - quasi zur Steigerung der Neugier - auszugsweise
3 Stellen:
"...Die
Wohnungen von Messies sehen von Fall zu Fall sehr unterschiedlich
aus. Sie können etwa geprägt sein von Ordnungssystemen
unterschiedlicher Art: Aktenordner, Hängeregistraturen
oder akkurat beschriftete Kisten, die säuberlich geordnet
in Regalen stehen. Daneben können sich auch Anhäufungen
von Gegenständen befinden, die Besuchern völlig
chaotisch erscheinen. Die Bewohner jedoch haben auch darin
häufig noch ein System und wissen ziemlich genau, wo
sie was finden können. Andere Messies wiederum sind auch
mit der zeitigen Entsorgung von Lebensmitteln überfordert.
Die Grenze zur Verwahrlosung verwischt für außenstehende
Betrachter. Der Unterschied zu Menschen, die verwahrlost sind,
oder die sich als „chaotisch-kreative Köpfe“
bezeichnen und ihre Unordnung lieben, besteht vor allem darin,
dass Messies diese Zustände nicht egal sind – sie
leiden darunter." |
Es ist sicher
wahr, dass sehr viele Messies an ihrem übersteigerten Ordnungsempfinden
qualvoll scheitern (sieht man mal ab von der überwältigenden
Menge an Dingen, die sie zu ordnen haben) und es tut gut, wenn dieses
Ordnungsbestreben festgestellt und nicht ins Lächerliche gezogen
wird. Es folgt auch ein sinnvoller Ratschlag:
"Der
Psychologe Gunter König (...) empfiehlt, einen Plan zu
erstellen, wie das Problem ganz pragmatisch gelöst werden
kann – hier und jetzt. Dazu gehört unter anderem,
sich zunächst kleine Ordnungsinseln zu schaffen und diese
dann bewusst zu genießen. „Perfektionismus sollte
vermieden werden“, so König. „80 Prozent Erfolg
reichen auch schon!“ " |
Sehr richtig!
Und das entspricht genau dem Paretoprinzip:
um diese 80% Ordnung zu schaffen bedarf es lediglich 20% des vermutlichen
Gesamtaufwandes. Soll diese Ordnung dann aber um die 'fehlenden'
20% vervollkommnet werden, so wird das dann schlicht die verbleibenden
80% des Gesamtaufwandes verschlingen - reine Sisyphosarbeit.
Aber es kommt noch schlimmer: in einem Kommentar zu dem Artikel
hinterfrägt sich ein Leser, warum Messies denn soviel zu ordnen
haben. Und sein Ansatz, dass es sich dabei um die Sucht nach stets
Neuem handeln könnte, gepaart mit der Weigerung, sich klar
für oder gegen etwas zu entscheiden, ist halt auch sehr scharf
beobachtet:
"...
Das Messie-Syndrom ist vergleichbar mit der Flucht in die
Zeit der Kindheit, wo alles neue interessant war und erkundet
werden wollte, mit dem Unterschied, dass Kinder von der Energie
der Forscher angespornt werden, werden die "Messies"
sammeln, um sich das lästige Sortieren zu ersparen, wo
sie Entscheidungen treffen und eben auch etwas aufgeben müssten.
Bei den Messies sammelt sich die Welt der Dinge und der Aufbruch
in die Welt bleibt so mit seinen ganzen Risiken und Anstrengungen
solange "erspart", bis die Unordnung nicht mehr
auszuhalten ist." |
Ein Messie würde
diesem Vorwurf vermutlich entgegenhalten, dass gerade die hier als
Zeichen des Erwachsenseins geforderten, schnellen, risikobehafteten
Entscheide massgebend zu der misslichen Lage beigetragen haben,
in der sich die aktuelle Weltlage befindet... (was wiederum nicht
als Rechtfertigung gelten kann, sich gar nicht zu entscheiden).
Interessant, nicht? Jedenfalls wesentlich interessanter als das
elende Geplärre, das um Tante Wittlers Aufräumopern in
RTL entbrannt ist: da wird doch tatsächlich ernsthaft gefragt,
wer denn das alles bezahle !!!
Zitat: Nun fragen sich zahlreiche TV-Zuschauer: Wodurch haben
sich Messies die Hilfe von Tine Wittler überhaupt verdient?
Und: Wer bezahlt eigentlich die aufwendigen Renovierungsarbeiten?
Was man dann da an Kommentaren zu lesen bekommt zeigt deutlich,
dass gerade solche Sendungen nicht gerade geeignet sind, die Problematik
des Messie-Syndroms zu erklären...
Thomas
|
BUCHBESPRECHUNG
(Fortsetzung)
Das Messie-Syndrom
Hrsg: Alfred Pritz, Elisabeth Vykoukal, Katharina Reboly, Nassim
Agdari-Moghadam
2. Teil Diagnostik
Horten
und Sammeln im Spektrum der Zwangsstörungen
von Martin Aigner, Ulrike Demail, Markus Dold
1. |
Einleitend berichten die Autoren, dass eine Reihe psychiatrischer
Erkrankungen dem „Messie-Syndrom“ zugrunde liegen
können und sein zwanghafter Charakter es schon früh
mit Zwangsstörungen in Verbindung brachte. Je nach Diagnostik
der entsprechenden Grunderkrankung können geeignete therapeutische
Schritte eingeleitet werden. Der „Sammeltrieb“ kann
aber auch als „Urtrieb“ der Jäger und Sammler
verstanden werden und ist somit nicht primär pathologisch,
sondern ist eher ein Verhalten, das Spannungen reduzieren kann.
Ein massloses Sammeln und Horten kann aber ins Spektrum der
Zwangstörungen eingeordnet werden. In Tabelle 1 wird die
Differenzialdiagnose des „Messie-Syndroms“ im ICD
10 ersichtlich. |
2. |
Beispiele
zur Differenzierung von Zwangsstörung und Zwangsspektrumstörung
zwischen den Polen „zwanghaft“ und „impulshaft“
sind übersichtlich dargestellt. Differenzierend erklärt
wird, dass das Verhalten zur Spannungsreduktion bei der Impulskontrollstörung
zunächst „ich-synton“ = lustvoll (Spielen /
Kaufen), bei der Zwangsstörung meist als „ich-dyston“
= belastend (Wasch- und Kontrollrituale) empfunden wird. |
3. |
Der Abschnitt
über biologische und psychologische Befunde und Komorbidität bei Hort- und Sammelzwängen weist auch auf genetische Faktoren
und auf wichtige diagnostische Erkennungsmerkmale hin. |
4. |
Zur Therapie
des Hort- und Sammelzwanges wird als wichtiger Punkt die Diagnosestellung
genannt. Erst nach sorgfältiger Analyse kann mit den Betroffenen
gemeinsam eine angepasste Therapieplanung angegangen werden.
Die therapeutische Herangehensweise legt psychotherapeutische
und medikamentöse Ebenen nahe – wie z.B. die kognitive
Verhaltenstherapie bei Zwangsstörungen und zum anderen
die medikamentöse Therapie mit Antidepressiva, welche sich
wirksam zeigten. Die Autoren betonen, dass aus ihrer Sicht auch
der Wohnbereich in die Therapieplanung zwingend miteinbezogen
werden sollte. |
Krank
oder nicht krank? –psychiatrische Aspekte einer Organisations-Defizit-Störung
(sogenanntes „Messiesyndrom“)
von Arnd Barocka
1. |
In
„Nosologische Vorbemerkung“ wirft der Autor die bemerkenswerte Hinterfragung
ein, ob es sich bei der Störung von Organisation und Planung
der Lebensabläufe vielleicht um eine neue eigenständige
Erkrankung handeln könne. So wird auch bemerkt, dass psychiatrische
Erkrankungen tatsächlich neu auftauchen und wieder verschwinden
können, wie beispielsweise das Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom
(ADHS) des Erwachsenen, das vor zwanzig Jahren noch weitgehend
unbekannt war. Die graphische Darstellung zeigt übersichtlich
das nosologische (systematische Beschreibung der Krankheit)
Problem – being (a) messy. |
2. |
Im „Messie-Phänomen
in der Ratgeberliteratur“ heisst es, dass laut Felton
das Messie-Phänomen ein die gesamte Persönlichkeit
prägendes Merkmal ist, das sich auf alle Lebensbereiche
ungünstig auswirkt, ohne dass die Betroffenen deshalb immer
psychiatrische oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen
würden. Weiterführend werden Merkmale, die anhand
eigener Erfahrungen Feltons das Problem darstellen, beschrieben.
Dabei heisst es, dass in der Ratgeberliste bereits äthiologische
Hypothesen zu lesen sind über biologische, psychologische
und soziale Faktoren, welche aber empirisch kaum substantiiert
sind. Trotzdem scheint das zugrunde liegende Phänomen sozial
hoch bedeutsam zu sein, laut Tolin et al.
|
3. |
Im Abschnitt
„Organisations-Defizit-Störung (ODS)der wissenschaftlichen
Literatur“ wird über die Nomenklatur, ODS in der
Normalbevölkerung und über ODS bei psychiatrischen
Krankheitsbildern berichtet. Über aktuelle Forschungsergebnisse
folgender psychiatrischer Krankheitsbilder, die im Zusammenhang
mit dem ODS auftreten wird spezifisch berichtet: Zwangsstörung
– Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom
(ADHS) - Borderline-Persönlichkeitsstörung - Posttraumatische
Belastungsstörung PTBS - Bipolare affektive Störung
(mit Falldarstellung) - Schizophrenie und Demenz (mit Fallbeispiel
aus der Gerontopsychiatrie) - Substanzabhängigkeit und
Essstörungen. |
4. |
Zur Neuropsychologischen
Basis der Störungen von Ordnung und Planung wird einerseits
die - gestörte Aufmerksamkeit – erwähnt, bei
der die Aufmerksamkeit beispielsweise zu verschiedenen Gegenständen
wandert und es den Betroffenen nicht gelingt, sich zu entscheiden
ob sie den Gegenstand wegwerfen oder einordnen sollen. Neuropsychologisch
kann man einen Teil des Verhaltens auf eine Störung eines
Verhaltensmusters reduzieren – dem „delayed reward“.
Laut klinischer Beobachtung beinhaltet Horten ein selbststärkendes
Verhalten, verbunden mit lustvollen Emotionen – mit anderen
Worten: Horten hat Suchtcharakter. Zudem weisen Betroffene Störungen
der Informationsverarbeitung auf, z.B. wenn sie eine falsche
Vorstellung über den Wert von Gegenständen haben,
was zu Problemen bei der Entsorgung führt. Auch kognitive
Störungen können der irrationalen Wertzuschreibung
für Gegenstände zugrunde liegen. |
5. |
Abschliessende
Überlegungen umfassen, dass: „Organisations-Defizit-Störung“
(ODS) eine passendere Bezeichnung ist als „Messie-Syndrom“,
da eine Störung der Organisation und Planung aller Lebensbereiche
vorliegt. Zu den epidemiologischen Fragen wird erläutert,
dass, um die Zusammenhänge zu erhellen unbedingt noch epidemiologische
Studien nötig sind. Zum Bereich „Therapie wird empfohlen,
dass der therapeutische Ansatz von Tolin et al. aufgegriffen
und weiterentwickelt werden sollte. |
Der Messie-House-Index (MHI)
von Andreas Schmidt
In bildhaften Aufzeichnungen und Tabellen ist der Messie-House-Index
ein psychodiagnostisches Messinstrument, welches darauf abzielt,
einen exakten Befund einer (überfüllten) Messie-Wohnung
erstellen zu können. Hiermit ist eine gleichsam „objektive“
Vergleichsmöglichkeit verschiedener Schweregrade der Beeinträchtigungen
gegeben.
Der Messie-Formenkreis
von Katharina Reboly
Das Messie-Forschungsprojekt an der Sigmund Freud Privat Universität
Wien (SFU) setzt sich mit mehreren Schwerpunkten auseinander, welche
in diesem Abschnitt erläutert werden. In den „Differenzialdiagnostischen
Überlegungen“ werden (historisch) verwandte Bezeichnungen
und Merkmale von Erscheinungsbilder zum Messie-Formenkreis genannt
wie:
• |
Häusliche
und persönliche Verwahrlosung |
• |
Horten
von Unrat und gekauften oder gesammelten Gegenständen |
• |
Sozialer
Rückzug und Isolation – Müll als Entlastung
von seelischen Problemen |
• |
Verweigerung
von Hilfsangeboten |
• |
Nichtsehen
bzw. Nichtakzeptieren der offenkundigen Verwahrlosung |
• |
Panikreaktion
bei Entmüllungsaktion. |
Der Abschnitt Komorbidität stützt sich auf
amerikanische klinische Forschungsansätze, aus denen sich schliessen
lässt, dass es sich beim Messie-Phänomen um ein Sammelsurium
verschiedenster Ausprägungsformen handeln kann und vielschichtige
zugrunde liegende psychodynamische Konstrukte beobachtet werden
können. So werden Studien, welche die differenzialdiagnostischen
Unterschiede zwischen dem Sammelzwang und beispielsweise Persönlichkeitsstörung,
Demenz, Zwangserkrankung, Depression, Angststörung oder Suchterkrankung,
posttraumatische Belastungsstörung PTB, ADHS und mehr…
nachvollziehbar zitiert. Kulturwissenschaftlerin Annina Wettstein
(2005) beschreibt in ihren Ausführungen aus der Schweiz, dass
als subjektives Erklärungsmodell für das Messietum Betroffene
von einem angeborenen Leiden, von auslösenden Faktoren in der
Kindheit oder von ursächlichen Ereignissen im Erwachsenenalter
berichten. Folgernd könne man verallgemeinernd von einer emotionalen
Instabilität sprechen.
Interessante Resultate einer Erfassung des Messie-Fragebogens
der SFU sind ergänzend aufgezeichnet.
Im nächsten Newsletter wird das 3. Schwerpunktthema „Therapeutische
Aspekte“ zusammengefasst.
|
ISBN
978-3-211-76519-7
„Das
Messie-Syndrom – Phänomen, Diagnostik, Therapie,
Kulturgeschichte des pathologischen Sammelns"
Pritz,
A.; Vykoukal, E.; Reboly, K.; Agdari-Moghadam, N. (Hrsg.)
Springer
Verlag 2008, 324 S., 21 Abb., 10 in Farbe., Softcover
Chf 67.90
|
Anita Meito |
Rätsel |
|
Auflösung des letzten Rätsels:
Der Satz stammt aus dem Buch
"Der Tee der drei alten Damen" von Friedrich Glauser (1938
veröffentlicht).
Die erste richtige Antwort erreichte uns genau 20 Minuten nach dem
Versand der LessMess Info und wurde entsprechend honoriert!
Wir gratulieren allen, die es herausgefunden haben. |
|
Welcher Schweizer Künstler hat dieses Messie-Stilleben geschaffen?
|
|
Maile oder schreibe uns den Namen des Künstlers, dazu aber
auch die eigene Adresse, an info@lessmess.ch,
LessMess, Mitteldorfweg 31, 8915 Hausen am Albis, Fax 044 764 28
50
|
LessMess
Beratungstelefon: 079 304 10 97 Montag 18.00 - 20.00 // Donnerstag
10.00 - 12.00
Wir
danken herzlich für alle Spenden an: PC 85-555738-2, LessMess,
Zürich
|
Redaktion dieser Ausgabe:
Annemarie.
Layout und Gestaltung: Thomas. |
1)
Neue Mieter?
Nur mit vorgelegter eigener Schufa-Auskunft (siehe Kasten unten), Creditreform-Auskunft eingeholt und Rufnummer vom Vormieter.
Weiterhin sollte man sich über den potentiellen Mieter, genau wie bei Jobbewerbern, im Internet erkundigen und wenn die Vormiet-Stätte zu weit entfernt ist, auch über diese im Internet mitsamt Kartendarstellung.
Weiterhin sollte man auf Kleidung, Auto und Allgemeinbildung bei der Besichtigung achten!
Hinzu kommt ein entsprechender Mietvertrag sowie Kaution.
Danach sollten beide Parteien die Vereinbarung entsprechend pflegen.
Oder man hat schon ohnehin abgewirtschaftete Objekte, wo der Mietzins die Kosten weit übertrifft. Dann ist es auch egal...